Annette von Droste-Hülshoff - 1844 - Kapitel 2 lyrics

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Annette von Droste-Hülshoff - 1844 - Kapitel 2 lyrics

Die Stadt und der Dom »Der Dom! der Dom! der deutsche Dom! Wer hilft den Kölner Dom uns baun?« So fern und nah der Zeitenstrom Erdonnert durch die deutschen Gaun. Es ist ein Zug, es ist ein Schall, Ein ungemeßner Wogenschwall. Wer zählt der Hände Legion, In denen Opferheller glänzt? Die Liederklänge wer, die schon Das Echo dieses Rufs ergänzt? Und wieder schallt's vom Elbestrand: »Die Stadt! die Stadt! der deutsche Port!« Und wieder zieht von Land zu Land Ein gabespendend Klingeln fort: Die Schiffe ragen Mast an Mast, Goldregen schüttet der Palast, Wem nie ein eignes Dach beschert, Der wölbt es über fremde Not, Wem nie geraucht der eigne Herd, Der teilt sein schweißbenetztes Brot. Wenn eines ganzen Volkes Kraft Für seines Gottes Heiligtum Die Lanze hebt so Schaft an Schaft, Wer glühte nicht dem schönsten Ruhm? Und wem, wem rollte nicht wie Brand Das Blut an seiner Adern Wand, Wenn eines ganzen Volkes Schweiß Gleich edlem Regen niederträuft, Bis in der Aschensteppe heiß Viel Tausenden die Garbe reift? Man meint, ein Volk von Heil'gen sei Herabgestiegen über Nacht, In ihrem Eichensarg aufs neu Die alte deutsche Treu' erwacht. O werte Einheit, bist du Eins – Wer stände dann des Heilgenscheins, Des Kranzes würdiger als du, Gesegnete, auf deutschem Grund! Du trügst den goldnen Schlüssel zu Des Himmels Hort in deinem Bund. Wohlan ihr Kämpen denn, wohlan Du werte Kreuzesma**onei, So gebt mir eure Zeichen dann Und euer edles Feldgeschrei! Da, horch! da stieß vom nächsten Schiff Die Bootmannspfeife grellen Pfiff, Da stiegen Flaggen ungezählt, Kantate summte und Gedicht, Der Demut Braun nur hat gefehlt, Jehovas Namen hört' ich nicht, Wo deine Legion, o Herr, Die knieend am Altare baut? Wo, wo dein Samariter, der In Wunden seine Träne taut? Ach, was ich fragte und gelaucht, Der deutsche Strom hat mir gerauscht, Die deutsche Stadt, der deutsche Dom, Ein Monument, ein Handelsstift, Und drüber sah wie ein Phantom Verlöschen ich Jehovas Schrift. Und wer den Himmel angebellt, Vor keiner Hölle je gebebt, Der hat sich an den Kran gestellt, Der seines Babels Zinne hebt. Wer nie ein menschlich Band geehrt, Mit keinem Leid sich je beschwert, Der flutet aus des Busens Schrein Unsäglicher Gefühle Strom; Am Elbstrand, am grünen Rhein, Da holt sein Herz sich das Diplom. Weh euch, die ihr den zorn'gen Gott Gehöhnt an seiner Schwelle Rand, Meineid'gen gleich in frevlem Spott Hobt am Altare eure Hand! Er ist der Herr, und was er will, Das schaffen Leu und Krokodil! – So baut denn, baut den Tempel fort, Mit ird'schem Sinn den heil'gen Hag, Daß euer bessrer Enkel dort Für eure Seele beten mag! Kennt ihr den Dom, der unsichtbar Mit tausend Säulen aufwärts strebt? Er steigt, wo eine gläub'ge Schar In Demut ihre Arme hebt. Kennt ihr die unsichtbare Stadt, Die tausend offne Häfen hat, Wo euer wertes Silber klingt? Es ist der Samariter Bund, Wenn Rechte sich in Rechte schlingt Und nichts davon der Linken kund. O, er, der alles weiß, er kennt Auch eurer Seele ödes Haus; Baut Magazin und Monument, Doch seinen Namen laßt daraus! Er ist kein Sand, der glitzernd stäubt, Kein Dampfrad, das die Schiffe treibt, Ist keine falsche Flagge, die Sich stahl der See verlorner Sohn, Parol' nicht, die zur Felonie Ins Lager schmuggelt den Spion! Baut, baut! – um euer Denkmal ziehn Doch Seufzer, fromm und ungeschmückt; Baut! – neben eurem Magazin Wird doch der Darbende erquickt. Ob eures Babels Zinnenhag Zum Weltenvolk euch stempeln mag? Schaut auf Palmyrens Steppenbrand, Wo scheu die Antilope schwebt, Die Stadt schaut an, wo, ein Gigant, Das Kolosseum sich erhebt. Den Wurm, der im geheimen schafft, Den kalten, nackten Grabeswurm, Ihn tötet nicht des Armes Kraft Noch euer toller Liedersturm. Ein frommes, keusches Volk ist stark, Doch Sünde zehrt des Landes Mark; Sie hat in deiner Glorie Bahn, O Roma, langam dich entleibt; Noch steht die Säule des Trajan, Und seine Kronen sind zerstäubt!